Es tut immer gut, über Grenzen hinaus zu blicken! Der WONCA-Kongress bietet eine Plattform für internationalen Erfahrungsaustausch und auch zumindest zum Teil sehr gute Fortbildung.
Das Thema des Kongresses war „Family doctors with heads and hearts“. Er wurde von fünf skandinavischen Staaten (Dänemark, Island, Schweden, Norwegen, Finnland) in Kooperation veranstaltet und war der erste WONCA-Kongress, der zur Gänze auf Pharma-Sponsoring verzichtete.
Wir haben den Kongress genutzt, um mit vielen internationalen Kolleginnen und Kollegen wertvolle Gespräch zu führen, die Probleme in den einzelnen Systemen zu besprechen und zu vergleichen und auch die unterschiedliche Wahrnehmung zu erleben.
Spannend war die Möglichkeit, im Vorfeld allgemeinmedizinische Ordinationen vor Ort zu besuchen. Thomas Jungblut hat diese Möglichkeit genutzt und die Gruppenpraxis von Thorning Jacobsen zusammen mit Kollegen aus Argentinien, Schweden, Italien, Portugal und Finnland besucht, um mit ihnen die Unterschiede der allgemeinmedizinischen Versorgung zwischen den einzelnen Ländern zu diskutieren. Er erlebte dort eine konsequente allgemeinmedizinische Basisversorgung, die sich auch auf gynäkologische und pädiatrische Bereich erstreckte.
Ein Highlight war der Eröffnungsvortrag von Michael Kidd, aktueller WONCA-World-Präsident, über fünf wichtige Herausforderungen der Allgemeinmedizin in einer sich verändernden Gesellschaft:
- Überalterung der Gesellschaft und Umgang mit chronisch Kranken
- Leistbarkeit unserer Gesundheitssysteme
- Formen der Patientenkontakte
- Herausforderung Diagnose
- Ungleichheit der Behandlung und soziale Verantwortung der Allgemeinmedizin
Das war ein sehr engagierter Vortrag, der auch die wichtige Stellung der Hausärzte für die nationalen Gesundheitssysteme gut darstellte und den er sehr launig in Bezug auf Märchen des dänischen Schriftstellers Hans Christian Andersen setzte. Er bezeichnete zum Beispiel die vielen jungen Kolleginnen und Kollegen, die zu unser aller Freude am Kongress engagiert anwesend waren, als „hässliche junge Entlein“, noch wenig beachtet und oft ins Eck gestellt. Allerdings werden genau diese als die zukünftigen „Schwäne“ eine der führenden Rollen in den Gesundheitssystemen einnehmen.
Es gab noch eine Fülle von sehr guten bis guten Vorträgen und Workshops, aber auch einige, die unsere Erwartungen nicht erfüllten. Zu hinterfragen ist, ob nicht weniger Fülle und Angebot besser wäre.
Ich persönlich habe viele Eindrücke mitgenommen. Ein wesentlicher sind die Unterschiede zwischen dem dänischen und österreichischen Gesundheitssystem. In Dänemark hat man den Eindruck, kluge Leute schauen nach vorne und formulieren ein Ziel, das sie konsequent umzusetzen versuchen. Die elektronische Krankenakte und Vernetzung der einzelnen Ordinationen ist seit vielen Jahren umgesetzt und läuft gut. Die Patientensteuerung in die Primärversorgungsebene ist umgesetzt, und alle scheinen zufrieden zu sein. Die Allgemeinmedizin spielt auf den Universitäten eine führende Rolle, und auch die Forschung in diesem Bereich findet statt. Es ist dort auch nicht alles nur rosig, sie haben ebenfalls ihre Probleme, trotzdem können wir für Österreich viel lernen.
Wir hatten zwar nicht viel Zeit, Kopenhagen zu erleben, aber in der wenigen Zeit haben wir trotzdem einen Einblick in die Stadt bekommen. Kopenhagen ist eine gemütliche, grüne Stadt mit vielen netten Lokalen am Hafen und in der Innenstadt und einer Fußgängerzone, die sehr belebt ist. Auch hier erleben wir eine konsequente und auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Entwicklung in vielen Bereichen, wenn es zum Beispiel um Verkehrskonzepte oder um Erreichung der Klimaziele geht. Da können wir Österreicher mit unserer zögerlichen Haltung einiges abschauen.